Der FEEI verhandelt jährlich den Kollektivvertrag für die Elektro- und Elektronikindustrie.
Kollektivvertrag 2019 – die wichtigsten Infos
Am 2. April 2019 wurden die Kollektivvertragsverhandlungen für die Elektro- und Elektronikindustrie nach intensiven und konstruktiven Verhandlungen in der zweiten Runde abgeschlossen.
- Die Ist-Löhne bzw. -Gehälter werden mit 1.5.2019 um 3,2% angehoben.
- Die Mindestlöhne und Mindestgehälter werden um 3,4% erhöht.
- Die Reiseaufwandsentschädigungen steigen um 2,0%. Die Zulagen werden um 2,5% erhöht, die Nachtarbeitszulage bzw. Zulage für die dritte Schicht heuer sogar um 10% auf € 2,430 (nächstes Jahr auf € 2,651 und übernächstes Jahr auf € 2,872). Die Erhöhung der Vergütungen für Praktikanten beträgt 3,4%.
- Um die Attraktivität der Lehrberufe in der Elektro- und Elektronikindustrie zu erhöhen, werden die Lehrlingsentschädigungen um durchschnittlich 15% angehoben.
Den Unternehmen stehen wieder die Verteilungs-, Einmalzahlungs- und Freizeitoption als flexible Gestaltungsmöglichkeit für die Umsetzung der Ist-Erhöhung zur Verfügung. In einer Arbeitsgruppe wird als neue Variante eine Bildungsoption erarbeitet. Die Optionen kurz erläutert:
Freizeitoption
Finanziell ist die Freizeitoption für das Unternehmen günstiger als die kollektivvertragliche Ist-Lohn- bzw. -Gehaltserhöhung, weil die Zeitgutschriften zwölfmal pro Jahr, die Zahlungen hingegen vierzehnmal pro Jahr erfolgen.
Aber auch für die Mitarbeiter ist die Zeitgutschrift attraktiv: Weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge sind zu zahlen. Bei Mitarbeitern mit einem Monatsbezug über der Höchstbeitragsgrundlage hat die Wahl der Freizeitoption überdies keine Auswirkungen auf die künftige Pension aus der Sozialversicherung.
Die Umsetzung der Freizeitoption erfolgt 2019 in folgenden Schritten:
Alle Ist-Löhne und -Gehälter werden mit 1.5.2019 um 3,2 % erhöht.
Die Betriebsvereinbarung wird bis spätestens 15.9.2019 abgeschlossen.
Die zusätzlich erforderlichen Einzelvereinbarungen mit den jeweiligen Mitarbeitern werden bis spätestens 15.11.2019 abgeschlossen.
Die kollektivvertragliche Lohn- bzw. Gehaltserhöhung vom 1.5.2019 wird bei jenen Mitarbeitern, die die Freizeitoption gewählt haben, mit Wirkung ab 1.1.2020 wieder von Lohn bzw. Gehalt abgezogen und stattdessen erfolgen ab dann die monatlichen Zeitgutschriften.
Jene Unternehmen, die die Freizeitoption nützen wollen, unterstützt der FEEI gerne bei der Umsetzung.
Verteilungsoption
Die Anwendung der Verteilungsoption ist vor allem dann zweckmäßig, wenn für einzelne Mitarbeiter Bezugserhöhungen notwendig sind und gleichzeitig das generelle Bezugsniveau niedriger gehalten werden soll. Die Anwendung der Verteilungsoption ist in diesem Fall nur sinnvoll, wenn die Ist-Bezüge deutlich über den kollektivvertraglichen Mindestbezügen liegen und das Leistungsvolumen des Einheitlichen Entlohnungssystems für die individuellen Erhöhungen nicht ausreicht.
Einmalzahlungsoption
Diese Option ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Ist-Bezüge deutlich über den kollektivvertraglichen Mindestbezügen liegen, die Mitarbeiterfluktuation gering ist und eine gute wirtschaftliche Situation eine Einmalzahlung zweckmäßig erscheinen lässt. Die geringere dauerwirksame Ist-Erhöhung bewirkt nicht nur eine niedrigere Basis für weitere Erhöhungen im Zuge künftiger Kollektivvertragsrunden, sondern auch eine niedrigere Basis für Überstundenvergütungen und Sozialversicherungsbeiträge sowie sonstige von der Höhe des Gehaltes abhängige Leistungen. Dadurch werden die anfänglichen Mehrkosten der Einmalzahlungsoption in wenigen Jahren kompensiert.
Überstunden
Für Überstunden nach der 10. Stunde pro Tag bzw. 50. Wochenstunde gilt ab 1. Juli 2019 ein Überstundenzuschlag von 100% (ausgenommen bei Gleitzeit).
Papamonat
Ab 1. August 2019 können Väter einen unbezahlten „Papamonat“ antreten, dessen Lage mit dem Unternehmen zu vereinbaren ist. (Das Europäische Parlament hat kürzlich eine Richtlinie verabschiedet, laut der Väter künftig nach der Geburt ihres Kindes Anspruch auf einen Vaterschaftsurlaub von mindestens zehn Arbeitstagen mit einer Vergütung in der Höhe des Krankengeldes haben sollen).
In unserem Downloadbereich finden Sie alle Infos und Details zu den aktuellen sowie vergangenen Kollektivvertragsverhandlungen der Elektro- und Elektronikindustrie.
Neben den speziellen Kollektivverträgen für die Elektro- und Elektronikindustrie sind aber auch Generalkollektivverträge zu beachten (abrufbar ebenfalls unter „Downloads“). Darunter fallen:
- Regelung einzelner Beschäftigungsbedingungen ausländischer Arbeitnehmer
- Begriff des Entgelts gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz
- Karfreitag
- Begriff des Entgelts gemäß § 6 Urlaubsgesetz
- Versöhnungstag
- Arbeitsleistungen im Rahmen der Regelung der Öffnungszeiten
Allgemein: Welche Vorteile haben Kollektivverträge?
Während der Vorteil von Kollektivverträgen für die Beschäftigten mit der Absicherung von Mindeststandards klar auf der Hand liegt, wird oft gefragt, was die Unternehmen von Kollektivverträgen haben.
Die Antwort ist ganz einfach: Was kollektivvertraglich geregelt ist, muss nicht mehr im Betrieb ausverhandelt werden. Die Unternehmen ersparen sich durch Kollektivvertrags-Bestimmungen den Verwaltungsaufwand und die Beratungskosten für Verhandlungen über Betriebsvereinbarungen oder einzelvertragliche Regelungen. Beispielsweise decken die jährlichen kollektivvertraglichen Lohn- bzw. Gehaltserhöhungen die Inflationsrate ab, worüber sonst jeder Betrieb einzeln mit dem Betriebsrat oder den Beschäftigten verhandeln müsste. Dieser Umstand verringert den betrieblichen Verwaltungsaufwand und hilft, dieses konfliktträchtige Thema aus der betrieblichen Diskussion herauszuhalten. Kollektivvertragliche Lohnrunden dienen somit zusätzlich auch der Vermeidung individueller Konflikte im Betrieb.
Aber auch gegenüber Gesetzen haben Kollektivverträge einige Vorteile:
Maßgeschneidert
Was kollektivvertraglich geregelt ist, muss nicht nur im Betrieb nicht mehr geregelt werden, sondern schützt fallweise auch vor Eingriffen durch Gesetze: Im Frühjahr 2017 überlegte die Regierung die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 1500 €. Gäbe es keine Kollektivverträge, wäre der Gesetzgeber in diesem Bereich (wie in Deutschland und vielen anderen Ländern) aktiv geworden. So aber wird es allgemein geschätzt, dass die Mindestlöhne und -gehälter kollektivvertraglich den wirtschaftlichen Verhältnissen der Branche angepasst sind, weil sie von Personen verhandelt werden, die eine profunde Branchenkenntnis haben.
Flexibilität
Weiters sind die Kollektivvertragsparteien bei allfälligen Anpassungen flexibler als der Gesetzgeber. Sie können auf geänderte Verhältnisse rasch reagieren. In der Elektro- und Elektronikindustrie ist es z.B. keine Seltenheit, dass bei einem überraschend auftretenden Auslastungshoch per Sonderkollektivvertrag innerhalb weniger Tage einzelnen Unternehmen Sonn- und Feiertagsarbeit erlaubt wird. Bis zur Verabschiedung und dem In-Kraft-Setzen eines entsprechenden Sondergesetzes würden hingegen Wochen bis Monate verstreichen, weil die verfassungsrechtlichen Vorschriften für das Gesetzgebungsverfahren einzuhalten sind. Die bis dahin auftretenden Produktionsengpässe wären schädlich für das jeweilige Unternehmen und für die österreichische Volkswirtschaft.
Branchengerechte Arbeitszeitmodelle
Durch Kollektivverträge werden zahlreiche, vor allem im Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz eingeräumte Gestaltungsspielräume branchengerecht ausgeformt, wie etwa das flexible Bandbreiten-Arbeitszeitmodell der Elektro- und Elektronikindustrie oder das Zeitkonten-Modell der Metallindustrie. Branchen ohne Kollektivvertrag dürfen solche Arbeitszeitmodelle auf betrieblicher Ebene nicht einführen, sondern sind auf die gesetzlichen Arbeitszeitmodelle beschränkt.
Erproben
Nicht zuletzt können auch Kollektivverträge Gestaltungsspielräume eröffnen: Seit mehr als zehn Jahren dürfen vom KVArbEEI bzw. KVAngEEI abweichende flexible Arbeitszeitmodelle mit Zustimmung der Kollektivvertragsparteien in einzelnen Unternehmen eingeführt werden. Zielgenau kann dadurch erprobt werden, was sich bewährt, und dann allenfalls in das Dauerrecht übernommen werden. – Dem österreichischen Gesetzgeber ist die Eröffnung lokaler „Experimentierfelder“ bisher fremd.
Der FEEI als Vorreiter
Immer wieder haben Kollektivverträge also Vorreiterfunktion, indem innovative Regelungen geschaffen werden, die manchmal Jahre später in Gesetze übernommen werden. Beispielsweise benötigte der Gesetzgeber vom ersten kleinen Schritt zur Angleichung der Rechte der Arbeiter an jene der Angestellten bis zum nächsten Angleichungs-Schritt Ende 2017 mehr als 15 Jahre.
Hingegen hat der FEEI schon frühzeitig gehandelt und von 2001 bis 2012 den Kollektivvertrag „Arbeiter Elektro- und Elektronikindustrie (KVArbEEI)“ und den „Kollektivvertrag Angestellte Elektro- und Elektronikindustrie (KVAngEEI)“ vereinheitlicht und modernisiert. Dadurch ist die österreichische Elektro- und Elektronikindustrie in der komfortablen Position, weiteren Vereinheitlichungs-Aktivitäten des Gesetzgebers und der Rechtsprechung gelassen entgegensehen zu können.
Weitere Erfolge konnte der FEEI bei folgenden Punkten erzielen:
Entlohnungssystem
Die Einführung des einheitlichen Entlohnungssystems (EES) im Jahr 2004 war durch die Kürzung der früheren Biennien der Angestellten innerhalb der Elektro- und Elektronikindustrie im Durchschnitt über alle Beschäftigten kostenneutral. Heute wäre das nicht mehr möglich. Warum sollte die Angestellten-Gewerkschaft Abschläge akzeptieren, wenn sich Arbeiter das Entlohnungsniveau der Angestellten möglicherweise schon bald vor Gericht erkämpfen können (weil Gesetzgeber, Rechtsprechung und Lehre die Differenzierung zwischen den beiden Gruppen zunehmend in Frage stellen)?
Dienstreiserecht
Im Jahr 2006 erreichte der FEEI mit der Einführung des einheitlichen Dienstreiserechtes in KVArbEEI und KVAngEEI eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung für die Unternehmen. Es gelang, die bis dahin in der Elektro- und Elektronikindustrie geltenden komplizierten und sehr unterschiedlichen Dienstreisevorschriften der Metallindustrie zu beseitigen und durch ein klar strukturiertes einheitliches Dienstreiserecht zu ersetzen.
Arbeitszeitrecht
Im Jahr 2009 setzte der FEEI ein einheitliches kollektivvertragliches Arbeitszeitrecht samt Öffnungsklausel für betriebliche Pilotprojekte durch.