Arbeitszeitgesetz

Neuerungen

Zum Arbeitszeitpaket 2018 wurden viele, teilweise sehr widersprüchliche Meldungen in den Medien verbreitet. Aus Sicht des FEEI sind für jene Betriebe, für die die Kollektivverträge der Elektro- und Elektronikindustrie gelten, folgende Punkte wesentlich:

  • Es ist zwischen Normalarbeitszeit (bei Vollzeitbeschäftigung 8 Stunden pro Tag und 38,5 Stunden pro Woche), zuschlagspflichtigen Überstunden und der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit (ab 1.9.2018: zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche), bei deren Überschreitung Verwaltungsstrafen drohen, zu unterscheiden.
  • Trotz der Gesetzesänderungen (wie z.B. die Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden) gilt die in den Kollektivverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Dienstverträgen vereinbarte Normalarbeitszeit weiter.
  • Schon bisher war bei der Anordnung von Überstunden auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu achten und eine Abwägung der Interessen vorzunehmen. Neu ist, dass Mitarbeiter künftig über zehn Stunden hinausgehende Überstunden-Arbeit ohne Angabe von Gründen ablehnen dürfen. Werden sie deshalb benachteiligt oder gekündigt, können sie das bekämpfen.
  • Gleitzeit: Die tägliche Normalarbeitszeit ist laut den Kollektivverträgen der Elektro- und Elektronikindustrie bei Gleitzeit mit zehn Stunden begrenzt. Daran ändert das Arbeitszeitpaket 2018 nichts. NEU: Angeordnete Arbeit über acht Arbeitsstunden am Tag bzw. 40 Arbeitsstunden pro Woche hinaus gilt nun als Überstundenleistung!
  • Durchschnittliche Wochenarbeitszeit: Unverändert darf die durchschnittliche Arbeitszeit innerhalb von 17 Wochen höchstens 48 Stunden pro Woche betragen. Wenn Mitarbeiter daher in manchen Wochen wegen Überstunden 60 Wochenstunden gearbeitet haben, müssen in anderen Wochen deutlich weniger Stunden geleistet werden.

Folgende Änderungen erhöhen seit 01.09.2018 die Flexibilität:

  • Zwölf Stunden/Tag bzw. 60 Stunden/Woche: Nunmehr sind diese Höchstarbeitszeiten zulässig; die Überschreitung von 10 bzw. 50 Stunden ist nicht mehr strafbar. Dadurch ändert sich aber nichts an der jeweils laut Kollektivvertrag bzw. Betriebsvereinbarung erforderlichen Bezahlung.
  • Überstunden: Anstelle der früher im Normalfall zulässigen höchstens zehn Überstunden pro Woche sind nunmehr bis zu 20 Überstunden zulässig.
  • Arbeit an Sonn- bzw. Feiertagen: Mittels Betriebsvereinbarung können nun Ausnahmen von der Wochenend- bzw. Feiertagsruhe an bis zu vier Sonn- oder Feiertagen pro Mitarbeiter und Jahr zugelassen werden. Diese Arbeiten werden in aller Regel Überstunden mit 100 Prozent Zuschlag sein. Für jede Arbeitsstunde am Sonntag ist in der Folgewoche Ersatzruhe zu gewähren; derartige Überstunden müssen also durch geringere Arbeitszeit in der Folgewoche ausgeglichen werden. Bestehende Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe aus technologischen Gründen gemäß der Arbeitsruhegesetz-Verordnung sowie Ausnahmen aus wirtschaftlichen Gründen durch Kollektivverträge gemäß § 12a ARG und die darauf beruhenden Betriebsvereinbarung bleiben aufrecht.
  • Ausweitung der Ausnahmen vom Geltungsbereich des Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetzes: Von der Anwendung dieser Gesetze ausgenommen sind neben leitenden Angestellten nunmehr auch jene Mitarbeiter, die maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnis haben und die Lage und Dauer ihrer Arbeitszeit selbst festlegen können. In die Beschäftigungsgruppen I bis K eingestufte Mitarbeiter mit Gleitzeit (die durch Kernzeiten nicht zu sehr eingeschränkt sein darf) werden daher künftig von diesen Gesetzen in der Regel ausgenommen sein. (Ob auch die „3. Führungsebene“ ausgenommen sein wird, wie den Erläuterungen zum Gesetz zu entnehmen ist, erscheint hingegen fraglich. Vorarbeiter unterliegen jedenfalls weiterhin diesen Gesetzen.) Mitarbeiter, die vom Geltungsbereich dieser Gesetze ausgenommen sind, können diese Gesetze nicht verletzen; somit drohen für ihr Verhalten keine Verwaltungsstrafen nach diesen Gesetzen. Allerdings unterliegen solche Mitarbeiter weiterhin dem Kollektivvertrag (d.h. es fallen z. B. Überstundenzuschläge an). Für sie gelten auch weiterhin z.B. Gleitzeit- oder Schichtarbeits-Betriebsvereinbarungen. Für Deckungsprüfungen (zur Vermeidung von Lohndumping) sind trotz der Ausnahme in den meisten Fällen weiterhin minutengenaue Arbeitszeitaufzeichnungen erforderlich.

Überstunden bei Gleitzeit

Aus gegebenem Anlass weisen wir bei Gleitzeitarbeit auf Folgendes hin: Die Rechtsmeinung, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter außerhalb der Kernzeit in ihrer Arbeitszeiteinteilung völlig frei sind und daher die Übertragung von Arbeit, die innerhalb der Kernzeit nicht vollständig erledigt werden kann, automatisch zu Überstundenleistung führt, ist unseres Erachtens falsch.

Gesichert ist die Rechtsmeinung, dass

  • innerhalb des Gleitzeitrahmens Tagesarbeitszeiten über zehn Stunden sowie
  • ab 1.9.2018: angeordnete Arbeitsstunden innerhalb des Gleitzeitrahmens, die über acht Stunden Tagesarbeitszeit hinausgehen
  • Arbeitszeiten außerhalb des Gleitzeitrahmens

Überstunden sind.

Steuerfreie Überstundenzuschläge

Gemäß § 68 Abs. 2 EStG 1988 sind seit 1.1.2009 die 50 prozentigen Überstundenzuschläge für die ersten zehn „Normalüberstunden“ bis zu einem Höchstbetrag von bis zu 86 € pro Monat steuerfrei. („Qualifizierte Überstunden“ sind gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 Überstunden an Sonn- und Feiertagen sowie in der Nacht. Diese sind gesondert nachzuweisen und zu versteuern.) In den Lohnsteuerrichtlinien 2002 und in einem Erlass des Finanzministeriums vom 6.10.2009 wurde die Regelung für Normalüberstunden für All-Inclusive-Vereinbarungen folgendermaßen konkretisiert:

Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung für Überstunden bei All-Inclusive-Vereinbarungen:

  • In dem betreffenden Jahr werden regelmäßig und durchschnittlich ausreichend Überstunden geleistet.
  • Bei Gleitzeitvereinbarungen werden zumindest die steuerbegünstigten Überstunden vom Saldo abgezogen.
  • Für die Ermittlung des Grundbezuges wird von der gesetzlichen Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden bzw. 173 Stunden pro Monat ausgegangen. Wenn die Zahl der geleisteten Überstunden nicht anhand von Aufzeichnungen nachgewiesen wird, nimmt das Finanzministerium an, dass Mitarbeiter mit All-Inclusive-Bezügen durchschnittlich 20 Überstunden pro Monat leisten. Dadurch ergibt sich für die Berechnung der steuerfreien Überstundenzuschläge ein Teiler des Monatsbezuges von 203 (173 Normalarbeitsstunden + 20 Überstunden + zehn Stunden für die 50 prozentigen Überstundenzuschläge, die auf die 20 Überstunden entfallen). Dieser Teiler ist vom jeweils anzuwendenden Kollektivvertrag unabhängig.

Jahresdurchschnitt statt Monatsbetrachtung

Für die Steuerfreiheit der Überstundenzuschläge genügt es bei All-Inclusive-Bezügen, wenn im Jahresdurchschnitt die erforderlichen Überstunden geleistet werden. Dabei sind für Zeiten, in denen wegen Krankheit eine Weiterbezahlung des Entgeltes gemäß § 68 Abs. 7 EStG 1988 auch steuerrechtlich anerkannt wird, die durchschnittlich geleisteten Überstunden hinzuzurechnen. Werden dagegen die Überstunden ungleichmäßig erbracht (z.B. nur in den ersten sechs Monaten des Jahres geleistet) kann für All-Inclusive-Bezüge die Steuerbegünstigung nur für die betreffenden Monaten in Anspruch genommen werden (Monatsbetrachtung).

Hier einige Durchrechnungs-Beispiele:

Fall 1:
Jänner bis Mai jeweils 15 Überstunden
Juni bis August keine Überstunden
September bis Dezember jeweils 15 Überstunden
Summe: 135 Überstunden
–> Auch in den Monaten Juni bis August gewährte Zuschläge können nach § 68 Abs. 2 EStG 1988 steuerfrei belassen werden.

Fall 2:
Jänner bis Mai jeweils 15 Überstunden
Juni bis August krank (100 Prozent Entgeltfortzahlung)
September und Oktober jeweils 15 Überstunden
November und Dezember keine Überstunden
Summe: 140 Überstunden (einschließlich der fiktiven Überstunden aufgrund der Entgeltfortzahlung)
–> Die im fortgezahlten Entgelt für die Monate Juni bis August enthaltenen Überstundenzuschläge können unter Hinweis auf § 68 Abs. 7 EStG 1988 steuerfrei gewährt werden.

Fall 3:
Jänner bis Mai jeweils 15 Überstunden
Juni bis Mitte Juli Urlaub (sechs Wochen durchgehend)
Juli keine Überstunden
August bis Dezember jeweils 15 Überstunden
Summe: 150 Überstunden
–> Auch in den Monaten Juni und Juli gewährte Zuschläge können nach § 68 Abs. 2 EStG 1988 steuerfrei belassen werden.

Mitarbeiter mit All-Inclusive-Bezügen, die bereits in der Vergangenheit im Jahresdurchschnitt mindestens 120 Normalüberstunden geleistet haben und bei denen sich die Verhältnisse nicht verändert haben, können diese Begünstigung unter den hier angeführten Bedingungen ab 1.1.2009 nutzen. Für neu eintretende Mitarbeiter mit All-Inclusive-Bezügen müssen die Überstunden mindestens sechs Monate hindurch aufgezeichnet werden. Weiters ist plausibel darzustellen, dass es sich nicht bloß um saisonale Überstundenleistungen handelt.

Abzug von begünstigten Überstunden vom Gleitzeitkonto

Mitarbeiter mit All-Inclusive-Bezügen können bei Gleitzeit die Steuerfreiheit für die begünstigten Überstundenzuschläge nur dann nutzen, wenn zumindest die der Begünstigung entsprechende Zahl von Überstunden von ihrem Gleitzeitkonto gestrichen wird. Nur dann ist aus Sicht des Finanzministeriums sichergestellt, dass der betreffende Mitarbeiter für die geleistete Mehrarbeit nicht Zeitausgleich nimmt, wodurch die Grundvoraussetzung der Steuerfreiheit des Überstundenzuschlages entfallen würde.

ACHTUNG: Mitarbeiter mit All-Inclusive-Bezügen, die bereits in der Vergangenheit ausreichend Mehrarbeit geleistet haben und für die bisher kein Abzug von Mehrleistungen aus dem Gleitzeitsaldo erfolgt ist, müssen sich mit diesem Zeitabzug einverstanden erklären, um die Steuerbegünstigung lukrieren zu können! Auch bei Mitarbeitern, mit denen die All-Inclusive-Bezüge neu vereinbart werden, ist deren Zustimmung zum Abzug einzuholen.

Steuerbegünstigung für Mitarbeiter mit Überstundenpauschale
Wenn in der Vereinbarung des Ist-Bezuges auch die Anzahl der durchschnittlich zu leistenden Überstunden angegeben ist, gelten folgende Regeln, um die Begünstigung der Zuschläge für die ersten 10 Normalüberstunden zu erhalten:

  • Im betreffenden Jahr werden regelmäßig und durchschnittlich ausreichend Überstunden geleistet.
  • Bei Gleitzeitvereinbarungen werden zumindest die steuerbegünstigten Überstunden vom Saldo abgezogen.
  • Da der Grundbezug ausgewiesen ist, ist dieser nicht extra zu ermitteln. Für den Überstundenteiler gilt der im jeweiligen Kollektivvertrag vorgesehene Wert. Im Fall der Mitarbeiter der Elektro- und Elektronikindustrie gilt der Teiler 143, wodurch auch die Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) abgegolten sind.

Bis auf die Ermittlung des Grundbezuges und damit des steuerfreien Überstundenzuschlages gelten somit steuerrechtlich dieselben Regelungen wie für Mitarbeiter mit All-Inclusive-Bezügen.

Keine Arbeitszeitaufzeichnungen bei Fixzeit

Bei Beschäftigten mit fixer Arbeitszeiteinteilung (z.B. im Schichtbetrieb) empfehlen wir, künftig nur noch Abweichungen von der fixen Arbeitszeiteinteilung, wie z.B. Überstunden, aufzuzeichnen (§ 26 Abs. 5a AZG). Im Zuge einer GPLA-Prüfung wurden nämlich (unter Berufung auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, 23.11.2017, Ra 2017/11/0243) die längeren „gestempelten“ Zeiten statt den Schichtzeiten als Arbeitszeiten für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge herangezogen und deshalb Beiträge für nicht bezahlte „Arbeitszeiten“ vorgeschrieben.

Die dafür maßgeblichen Passagen der VwGH-Entscheidung lauten: „Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (…) impliziert nämlich das Bestehen eines Stechuhr-Kontrollsystems, dass damit, also mit den auf den Stempelkarten aufscheinenden, das Eintreffen im Betrieb einerseits und das Verlassen des Betriebes andererseits markierenden Zeitangaben, der Beginn und das Ende der Arbeitszeit festgehalten, somit die tatsächliche Arbeitszeit gemessen wird. Sofern keine besondere vertragliche Vereinbarung besteht, ist das Betätigen der Stechuhr die jeweils erste und letzte tägliche „Arbeitshandlung“. Einem Gegenbeweis, etwa in Form eines Zeugen, kann nur dann entsprechendes Gewicht zukommen, wenn im konkreten Betrieb neben dem Stechuhr-Kontrollsystem ein weiteres Kontrollsystem besteht, aus dem sich die tatsächlichen Arbeitszeiten ergeben. Für einen Fall wie dem vorliegenden folgt somit, dass es für die Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen des AZG zunächst ausschließlich auf die gestempelten … Zeitpunkte des Arbeitsbeginns und -endes ankommt. In einem allfälligen Strafverfahren (etwa) wegen Überschreitung der gesetzlich höchstzulässigen Arbeitszeiten könnten dem Arbeitgeber aber die von ihm in den Arbeitszeitaufzeichnungen jeweils zusätzlich vermerkten Zeitpunkte des (genehmigten bzw. „anerkannten“) Arbeitsbeginns und -endes eines Arbeitnehmers dienlich sein, um den in der zitierten Rechtsprechung erwähnten Gegenbeweis antreten zu können, dass das Betätigen der Stechuhr doch nicht die jeweils erste bzw. letzte tägliche Arbeitshandlung darstellte.“

ACHTUNG: Diese Entscheidung wirkt sich nicht nur auf das Arbeitszeitrecht aus, sondern kann auch erhebliche Beitragsnachforderungen der Gebietskrankenkassen und sogar drakonische Verwaltungsstrafen wegen Lohndumpings nach sich ziehen!

Ausnahmen im Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes

Personen mit maßgeblicher Entscheidungsbefugnis sind laut Arbeitsinspektion nur dann vom Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz ausgenommen, wenn sie nicht zur Anwesenheit zu bestimmten festgesetzten Zeiten verpflichtet sind, wie z. B. durch Kernzeiten bei Gleitzeit.

Hinweis: Enthält eine Gleitzeit-Betriebsvereinbarung eine Kernzeit-Regelung, kann auf die Einhaltung der Kernzeit gegenüber bestimmten Personen einzelvertraglich verzichtet werden.

Weitere Informationen unter:

Online-Ratgeber der WKO

VwGH Ra 2014/11/0065